Glückliche Kinder

Happy Kids sind das Ziel der gesamten Gesellschaft

Von Michael Gneuss · 2022

Glückliche Kinder – wer hat diesen Wunsch nicht? Wir alle wollen, dass unser Nachwuchs sorgenfrei und gesund aufwächst und über die Jahre unbeschwert ins Erwachsenendasein hineingleiten kann. Doch um das zu erreichen, gilt es für Groß und Klein, auch Klippen zu umschiffen, zu lernen und immer wieder aufs Neue zuversichtlich in die Zukunft zu schauen.

Mann fängt ein springendes Kind auf.
Glückliche Kinder können sich voll und ganz auf ihre Eltern verlassen. Foto: iStock / jacoblund

Gerade heutzutage ist das nicht immer leicht. Angesichts von globalen Krisen wie etwa dem Klimawandel, der Coronapandemie und dem Krieg in der Ukraine sind die Herausforderungen für Eltern, Kinder und Schulen exorbitant groß. Dennoch: „Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben“, schreibt der finnische Psychologe Ben Furmann.

Glückliche Kinder - Sieben Grundbedürfnisse

Doch was ist das eigentlich, eine „glückliche Kindheit“? Bereits Anfang der 2000er-Jahre haben die beiden amerikanischen Kinderärzte T. Berry Brazelton von der Harvard University und Stanley Greenspan von der George Washington University sieben Grundbedürfnisse für eine gesunde, glückliche Kindheit formuliert. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass Kinder nicht alleinstehen. Vielmehr brauchen sie sichere und einfühlsame Beziehungen zu mindestens einer, besser zu zwei oder drei erwachsenen Personen. Beim Austausch mit diesen Personen lernen Kinder, ihre Gefühle auszudrücken, individuelle Wünsche zu erkennen, eigenständige Beziehungen zu Gleichaltrigen und Älteren aufzubauen. Dabei entwickeln sie ihre Persönlichkeit. 

Brazelton und Greenspan haben aber auch herausgefunden, dass Kinder ein Grundbedürfnis nach Grenzen und Strukturen haben. Nicht verwunderlich, denn je kleiner Kinder sind, umso chaotischer erscheint ihnen die Welt, umso mehr wächst der Wunsch nach Vertrautem. Indem Eltern Strukturen schaffen, bestimmte Regeln aufstellen und auch Grenzen setzen, bieten sie ihren Kindern die Sicherheit, nach der diese unbewusst verlangen. 

Einschnitte in der Pandemie

Gerade wenn es um Vertrautheit geht, gab es für Kinder und Jugendliche in den vergangenen zweieinhalb Jahren erhebliche Einschnitte. Vor allem die Coronapandemie hat das Leben unserer Kinder massiv beeinflusst, teilweise mit fatalen Auswirkungen. So haben sie Enormes in Kauf nehmen müssen, um erwachsene und insbesondere ältere Menschen zu schützen. Bereits seit dem ersten Lockdown untersucht die COPSY-Studie (Corona und Psyche) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) die psychischen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 17 Jahren. Ergebnis: Trotz rückläufiger Tendenzen fühlten sich im Herbst 2021 immer noch mehr als ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Acht von zehn Kindern fühlen sich nach wie vor durch die Pandemie belastet. Diese Belastungen zeigen sich etwa an Stresssymptomen wie Gereiztheit, Einschlafproblemen, Niedergeschlagenheit oder Kopf- und Bauchschmerzen. 

Alarmierende Signale

Alarmierend ist, dass es für Kinder schwieriger geworden ist, professionelle Hilfe zu bekommen. So hat sich einer aktuellen Studie der Universität Leipzig zufolge die Wartezeit auf ein therapeutisches Erstgespräch im Bundesdurchschnitt von fünf auf zehn Wochen, die auf einen Therapieplatz von drei auf sechs Monate verlängert. Besonders akut ist die Situation in ländlichen Gebieten, wo die Wartezeit mittlerweile wegen der schlechteren therapeutischen Versorgung bei über einem Jahr liegt.

Die Gesellschaft muss sich hier die Frage stellen, wie sie in Zukunft vor allem in Hinblick auf ihre Kinder 
verfahren will. Können erneute Schulschließungen, isoliertes Homeschooling oder Unterricht in kalten, zugigen Klassenräumen, gerade auch angesichts möglicher Heizeinschränkungen im kommenden Winter, wirklich der richtige Weg im Kampf gegen die Krisen der Zeit sein?

Zunehmende Ängste

Corona, aber auch der Krieg in der Ukraine und nicht zuletzt der Klimawandel sorgen für zunehmende Ängste bei den Kindern. Dabei ist Angst zu haben zunächst nichts Unnormales. „Angst ist etwas Normales und gehört zu unserem Leben dazu“, erklärt Mazda Adli, Stressforscher an der Charité in Berlin. „Die Angst, die uns belastet, ist diejenige, die wir nicht mehr kontrollieren können.“ Und es ist genau dieser Kontrollverlust, den er vor allem bei jüngeren Menschen häufig beobachtet. Einen zentralen Grund dafür sieht der Wissenschaftler im hohen, teilweise auch übermäßigen Nachrichtenkonsum der jüngeren Jahrgänge. „Need for cognitive closure“ nennen Fachleute dieses Verhaltensmuster. Dahinter steckt der Drang, eine Situation vollumfänglich verstehen und überblicken zu wollen. Dahinter steht die Hoffnung, auf diese Weise die Kontrolle über die Situation zu gewinnen und ihr das Bedrohliche zu nehmen. Meist ist es jedoch so, dass die Angst noch größer wird und Betroffene so in einem Teufelskreis aus Nachrichtenkonsum und Bedrohungsgefühl landen.

Krisenbewusstsein entwickeln

Donya Gilan, Forscherin am Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz, empfiehlt, bewusst Nachrichtenpausen einzulegen, sich wieder auf das eigene Leben zu konzentrieren und so das eigene Verhalten besser kontrollieren zu können. Gerade hier benötigen Kinder und Jugendliche die verständnisvolle Unterstützung von Eltern und Schule. Die Expertin gibt aber auch zu bedenken, dass das Fehlen großer Krisen in der Vergangenheit dazu geführt hat, zu glauben, dass solche Krisen an sich so gar nicht existieren. Insofern gilt es auch, ein neues Krisenbewusstsein zu entwickeln. Allein dies könnte schon dazu führen, dass die Ängste kleiner werden. Hier hält Donya Gilan vor allem den generationenübergreifenden Austausch für sehr wichtig. Von der Eltern- und vor allem der Großelterngeneration könnten Kinder sehr viel lernen.

Liebe und Vertrautheit

Egal, in welchen Situationen, Liebe und Vertrauen zwischen Kindern und Eltern erweisen sich immer wieder als Dreh- und Angelpunkte. Das gilt auch und vor allem in gesundheitlichen Sondersituationen wie etwa bei chronischen Erkrankungen. Kinder, die davon betroffen sind, benötigen Verständnis nicht nur von den Eltern, sondern von ihrem gesamten Umfeld, das heißt von Lehrern, Erziehern, Mitschülern, Freunden und Verwandten. Hier haben die Erfahrungen gezeigt, dass es eine größere Akzeptanz gibt, wenn über die Krankheit und deren Begleitumstände so offen wie möglich gesprochen und so viel wie nötig informiert wird. Aber auch die betroffenen Kinder selbst müssen lernen, mit ihrer Krankheit umzugehen. Für sie wie für die Eltern gibt es in Deutschland zum Glück ein breites Angebot an medizinischen und psychologischen Beratungsstellen. 

Auf die Gesundheit achten

Überhaupt versteht es sich von selbst, dass die Achtung der Gesundheit des Kindes für die Eltern eine vornehmliche Verantwortung ist. Dazu gehören regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen ebenso wie Erholungsauszeiten in den Ferien, während derer Kinder – und auch die Eltern – wieder Kräfte tanken können. Dazu gehört aber auch ein stets genaues Hinschauen, was die Kinder so in ihrer Freizeit treiben. Gerade im Digitalzeitalter ist es wichtig zu wissen, womit sich Kinder, wenn sie im Internet surfen, befassen. So kann man durch vertrauensvolle Gespräche vorbeugen und im Ernstfall frühzeitig eingreifen, wenn Kinder etwa zu Mobbingopfern im Internet werden. Eines ist klar: Unseren Kindern eine glückliche Kindheit zu geben, für sie da zu sein, ihnen in Krisen fest zur Seite zu stehen ist nicht nur Auftrag der Eltern. Es muss auch das Ziel der gesamten Gesellschaft sein, denn Kinder sind unsere Zukunft.

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