Seltene Krankheiten

Neue Medikamente in der Pipeline

Von Tobias Lemser · 2017

Wer unter einer seltenen Krankheit leidet, steht häufig vor einem langen Weg, um an wirkungsvolle Therapien zu kommen. Doch es gibt Hoffnung – auch für die vielen betroffenen Kinder. Forscher arbeiten an verheißungsvollen Therapien, die kurz vor der Zulassung stehen. Das Ziel: die Lebensqualität der Patienten erhöhen oder im Idealfall die Erkrankung heilen.

Mutter und Vater halten im Sonnenuntergang ihr Kind an seinen Armen in die Höhe.
Auch Familien mit einem Kind, das unter einer seltenen Krankheit leidet, haben das Recht auf ein möglichst normales Leben.

Sind unsere Kleinsten erkrankt, dauert es meist nur wenige Tage, bis sie wieder auf die Beine kommen und voller Energie spielen. Anders jedoch, wenn die Erkrankung nicht verschwinden will und selbst der Kinderarzt statt eine Diagnose auszusprechen nur mit den Achseln zucken kann. Von diesem Moment an beginnt für viele betroffene Familien eine wahre Odyssee an Arztbesuchen – von Facharzt zu Facharzt, von Klinik zu Klinik. Und selbst wenn Ärzte die Erkrankung diagnostizieren konnten, heißt dies noch lange nicht, dass eine geeignete Therapie zur Verfügung steht. Zusätzliche Erschwernis: Da es angesichts der Seltenheit bestimmter Erkrankungen nur wenige spezialisierte Mediziner gibt, müssen die erkrankten Kinder mit ihren Eltern oft weite Wege und lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Bisweilen vergehen viele Jahre bis zur Diagnose. Grund sind zumeist Symptome, die aufgrund fehlenden Wissens über die zahlreichen seltenen Krankheiten falsch zugeordnet werden.

Jeder zweite Betroffene einer seltenen Erkrankung ein Kind 

Schätzungen zufolge gibt es weltweit bis zu 8.000 seltene Krankheiten. Doch wann gilt eine Erkrankung als selten? In der Europäischen Union (EU) wird eine Krankheit dann als selten definiert, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen an ihr erkrankt sind. Allein in Deutschland leben rund vier Millionen Menschen mit einer seltenen Krankheit, davon schätzungsweise zwei Millionen Kinder und Jugendliche. Da vier Fünftel der Fälle genetisch bedingt sind, machen sie sich über 70 Prozent der seltenen Krankheiten im Kindesalter bemerkbar – etwa 30 Prozent erleben ihren fünften Geburtstag nicht. Die Palette der Krankheiten, die häufig chronisch und lebensbedrohend verlaufen können, reicht von Stoffwechselerkrankungen über Muskel- und Nervenkrankheiten bis hin zu speziellen Krebsarten. So heterogen die Charakteristik der einzelnen seltenen Krankheiten, so unterschiedlich auch deren Häufigkeit. Während an Narkolepsie, auch „Schlafkrankheit“ genannt, deutschlandweit rund 40.000 Menschen leiden, betrifft Morbus Gaucher, eine durch einen erblichen Gendefekt verursachte Stoffwechselerkrankung, gerade mal 2.000 Menschen. 

Therapie: Orphan Drugs eröffnen neue Chancen 

Zu einer fortschreitenden Lähmung der Gliedmaßen und des Rumpfes kommt es bei der Spinalen Muskelatrophie (SMA). Etwa eines von 6.000 bis 10.000 Neugeborenen ist von der neuromuskulären Erkrankung betroffen. Irgendwann können sie sich nicht mehr bewegen, schlucken oder atmen. SMA ist die häufigste Todesursache bei Kindern, die auf einen Gendefekt zurückzuführen ist. Bis vor einiger Zeit ein neuer Wirkstoff entwickelt wurde, konnten Ärzte kaum helfen. Auch wenn die Krankheit nicht heilbar bleibt, so kann zumindest der schwere Verlauf nun etwas ausgebremst werden. Trotz einiger Positiv-Meldungen in der Vergangenheit sind laut einer aktuellen Erhebung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie noch immer nur etwa ein Prozent der seltenen Krankheiten medikamentös behandelbar. In der EU gibt es aktuell 96 zugelassene Medikamente, sogenannte Orphan Drugs. Das Problem: Sind die Erkrankungen zu selten, rentieren sich die Investitionen in die Erforschung für die Pharmaunternehmen oft nicht. Doch die Experten zeigen sich zuversichtlich: Denn derzeit werden nach Angaben des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) rund 1.700 Arzneimitteltherapien entwickelt, die den Orphan Drug-Status, aber noch keine Zulassung erhalten haben. Weiterer Lichtblick: Gegen 30 Seltene Krankheiten können forschende Pharmaunternehmen voraussichtlich noch vor Ende 2019 neue Präparate auf den Markt bringen. 

Tipps für Eltern

Und was können Eltern tun? Um den Symptomen der Erkrankung auf den Grund zu gehen, ist das Internet eine wichtige Informationsquelle. Hier gibt es nicht nur Adressen über Selbsthilfegruppen, die dem seelischen Beistand unter den Eltern und dem Wissensaustausch dienen, sondern ebenso Informationen über die zahlreichen bundesweit angesiedelten „Zentren für Seltene Erkrankungen“. Nicht zu vergessen die Vielzahl an Patientenorganisationen, die umfassende Aufklärungsarbeit leisten – wichtige Anlaufpunkte, um den ohnehin schon gebeutelten Familien lange Fahrzeiten zu ersparen, sie mit relevanten Informationen und Neuigkeiten aus der Forschung versorgen zu können – und hoffentlich eine erfolgversprechende Therapie. Politik, Forschung und Pharmaindustrie sind gefordert.

Wichtige Anlaufstellen

Research For Rare

Forschung für Seltene Erkrankungen: Hier gibt es unter anderem eine Liste der 28 deutschlandweit verteilten Zentren für Seltene Erkrankungen.

ACHSE e. V.

Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen: ACHSE ist ein Netzwerk, das unter anderem Betroffene unterstützt, ihre Erfahrungen in Selbsthilfeorganisationen untereinander auszutauschen.

NAMSE

Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen: Das nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen setzt sich dafür ein, Patienten eine schnellere Diagnose zu ermöglichen.

Zentrales Informationsportal über Seltene Erkrankungen ZIPSE

ZIPSE bietet qualitätsgesicherte Informationen zu verschiedenen Erkrankungen.

Orphanet

Orphanet stellt hochwertige Informationen über Seltene Krankheiten zur Verfügung und pflegt die Orphanet-Nomenklatur (ORPHA code) zur Verbesserung der Sichtbarkeit von Seltenen Krankheiten in Informationssystemen von Gesundheits- und Forschungseinrichtungen.

 

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